"Lust und Last"? - klingt irgendwie nach geronto-erotischen Verlustphantasien eines 50-Jährigen in der midlife-crisis, oder? Egal, eigentlich geht's hier um Lust und Last beim Thema Kameraausrüstung. Genauer, um Freude und Frust bei Planung und Umsetzung diverser Erweiterungen meines fotografischen Equipments. Aber alles schön der Reihe nach.
Von meinem lieben Freund Henning war ja schon an anderer Stelle dieses Blogs die Rede. Henning und ich, damals hießen wir noch Gninneh und Kochi, belegten im Kurssystem der gymnasialen Oberstufe in den späten Siebzigern gemeinsam, getrennt gab's uns auch nicht, einen schönen Kunstkurs mit dem Thema "Portraitfotografie". Lehrer war, ich glaube mich zu erinnern, Herr Ralph (mit seiner sehr netten Tochter Frauke). Als modernes mathematisch-naturwissenschaftlich-sprachliches Gymnasium verfügte die Herderschule in ihrem Lüneburger Neubau über ein mehrräumiges Fotolabor mit Dunkelkammer. In dieses wies man uns ein. Wir lernten verdunkeln ohne Fliegeralarm, Rotlicht ohne entsprechendes Milieu und den Umgang mit Chemikalien ohne Verpuffung.
Ich bin kein durchgehend leidenschaftlicher Fotograf. Es gab zahlreiche Jahre, in denen ich keinerlei fotografische Ambitionen erkennen ließ und meine Ausrüstung ungenutzt im Abstellraum ihr Dasein fristete. Dann irgendwann hat's mich wieder gepackt und ich kaufte mir eine Pentax-Kleinbild-Spiegelreflexkamera mit Normal- und Telezoomobejektiv. Mit dieser Kamera hatte ich viel Spaß, jedenfalls so lange, bis das Tele den Geist aufgab und Ersatz bzw. eine Neuanschaffung anstand. Inzwischen hatten findige Tüftler DSLR's, sprich digitale Spiegelreflexkameras, erfunden. Ich entschied mich vor vier Jahren für eine Nikon D70s mit Tamron Zoom-Objektiv (18-200mm). Anfangs ging das ganz gut. Dann kam der Tag, an dem ich mich näher mit der technischen Qualität meiner Fotos beschäftigte. Was soll ich sagen? Ich hatte am falschen Ende gespart: Das Objektiv taugt nix.
Gninneh und ich haben damals durchaus experimentell fotografiert. So entstand z.B. ein Foto mit meinem Freund mittig drauf, aber man sieht ihn nicht, da eine lange Belichtungszeit in Kombination mit schneller Bewegung zu partieller Unsichtbarkeit führt. Guckst du hier:
Dieses damals bahnbrechende Foto entstand übrigens mit einer Kamera der Marke Voigtländer. Und für alle Leser (auch Leserinnen): Das Auto ist ein VW Käfer 1303 mit 1300 Kubik, 44 PS in ravennagrün (Farbnummer L 65 K). Mit dem konnte man in den Siebzigern locker einen 200er Diesel versägen.
Was tun? Ein neues Objektiv muß her! Auf meinem großen Sommertörn mit der ROALD AMUNDSEN möchte ich doch wieder reichlich fotografieren und mich nicht anschließend ärgern müssen, dass die Fotos irgendwie sch... sind. Welche Objektive passen am besten zu meiner Nikon? Richtig, Nikon-Objektive, aber die kosten richtig Geld ... Also hab' ich erstmal im Internet recherchiert und Fachliteratur gewälzt. Dabei kam mir die Idee, statt einem Objektiv doch gleich zwei zu kaufen. Warum? Ich verzichte auf den Zoom und arbeite dafür lieber mit Festbrennweiten (wie früher). Das macht die Sache übersichtlicher und eröffnet fototechnisch interessante Horizonte, wie z.B. größere Lichtstärke und bessere Bildqualität (superscharfe Bilder ... äh, technisch gesehen selbstverständlich!) zu vertretbaren Preisen. Also bin ich mal zum Gucken nach Altona zum Mediamarkt gefahren. Da hab ich dann diese Woche Herrn Lünstedt kennen gelernt.
Gninneh und ich haben ausschließlich die guten SW-Filme von Ilford mit 100 ASA (und manchmal auch die teuren mit 400 ASA) für unsere Kunstwerke genutzt. Und dann sind wir losgezogen, mehr oder weniger zielgerichtet und haben drauflos fotografiert. Ein Fotoladen hat unsere Filme für wenig Geld entwickelt und danach sind wir in unser Schul-Fotolabor gegangen und haben dort köstliche Stunden verbracht. Zunächst haben wir mittels Vergrößerungsgeät Abzüge aufs Fotopapier projiziert, dieses dann in 'Entwickler' getaucht, gewässert, fixiert, nochmal gewässert und getrocknet. Dabei haben wir viel experimentiert und der Anstand verbietet es, an dieser Stelle aussagekräftige Beispiele zu zeigen.
Herr Lünstedt ist das Gegenteil des von mir bei Mediamarkt erwarteten Verkäufers. Er nahm sich Zeit für mich, zeigte mir diverse Objektive und erläuterte mir deren Unterschiede, Vorzüge und Nachteile. Dabei fiel mein Blick besonders auf ein 85mm-Nikkor-Objektiv für rund 500 Euronen. Er sagte nur: "Nikon-Objektive sind ganz schön teuer, dafür aber auch sehr gut. Wenn Sie Interesse haben, lasse ich Ihnen das 85er für 400." Meine Vorab-Internetrecherchen hatten als günstigsten Preis 470 € ermittelt. Nach gut einer Stunde verließ ich einigermaßen verwirrt und desorientiert den Markt. Was sollte ich nur machen? Noch ein lichtstarkes 50mm Sigma-Objektiv dazu nehmen? Oder doch lieber ein multifunktionales Zoom? Und das Blitzgerät SB-600 bräuchte ich eigentlich auch noch. Diffusor, Filter und ... ach ja ... einen Fernauslöser selbstverständlich auch noch. Was wohl die beste Ehefrauen von allen dazu sagen wird? Ich setzte mich jedenfalls wieder in die SBahn und fuhr zwecks körperlicher Ertüchtigung zu meiner 'Frauengruppe'.
Unser Fotokurs ist ein schönes Beispiel dafür, welchen Einfluß Schule auf Menschen haben kann. Henning für seinen Teil hat aus dem Nachlaß seiner Eltern deren Fotoequipment inkl. vollständiger Laborausstattung übernommen. Und ich versuche noch immer, ein einigermaßen anständiges Foto hin zu bekommen. Anständig im künstlerischen Sinne. Wir waren (und sind) schon echte Helden.
1980 bin ich dann nach dem Abi zur Marine gegangen und habe mir rechtzeitig vorher meine erste eigene Kamera, eine Yashica FR, gekauft. Die habe ich noch heute. Allerdings benutze ich sie schon seit Jahren (eher Jahrzehnten) nicht mehr. Mit der habe ich tolle Fotos besonders von meiner Zeit auf der GORCH FOCK gemacht. In der Grundausbildung war ich mit einem Franken namens Joachim (Spitzname Lohmi) auf einer Stube. Er hat sich von der Fotografierei anstecken lassen und sich ebenfalls die Yashica gekauft. Und dann sind wir beide, er im Vortopp und ich im Großtopp, aufgeentert und uns dabei auf dem schönsten Segelschiff der Marine gegenseitig fotgrafiert.
Nach einigen Telefonaten, mit meiner Liebsten, mit Herrn Lünstedt, und nach weiteren Recherchen habe ich mich dann entschieden und zugeschlagen: Das 85er habe ich im Mediamarkt gekauft, dazu das Blitzgerät SB-600 (50 € Preisnachlass) sowie zwei UV-Filter. Als 'Immerdrauf'-Objektiv wollte ich noch das Nikkor mit 35mm Festbrennweite mitnehmen, leider hatte Herr Lünstedt dieses nicht vorrätig und empfahl mir eine andere Bezugsquelle. Nächste Woche wird es geliefert, dazu ein Diffusor für den Blitz (macht 'weiches' Licht) und einen IR-Fernauslöser (macht mit Hilfe eines Stativs verwacklungssichere, sprich extrem superscharfe Bilder) für meine Nikon. Zusammen habe ich für alles weniger als 900 Euro ausgegeben. Viel Geld, aber ich habe durch erstklassige Beratung und gute Angebote rund 200 Euro gespart. Ich hab Herr Lünstedt mal direkt drauf angesprochen, dass ich so viel Kompetenz beim Discounter nicht erwartet habe. Das Rätsel war schnell gelöst: Er ist gelernter Fotofachmann und selbst auch leidenschaftlicher Fotograf, der sich mit den gleichen Fragen wie ich beschäftigt hat. Vielen Dank, ich kauf gern weder bei Ihnen!
Für den Kunstkurs "Portraitfotografie" habe ich im Schuljahr 1978/79 satte 12 Punkte eingeheimst. Mehr Punkte habe ich danach in der Oberstufe in keinem Kurs mehr erhalten. Das lag aber eher daran, dass es im norddeutschen Schneekatastrophenwinter so richtig mit den Mädels losging und sich daher mein Fokus eher auf Zwischemenschliches als auf schöde Noten einstellte.
Gestern Abend habe ich spontan eine 'Fotorunde' in Blankenese gedreht und mein Nikkor mit Bildstabilasator ausprobiert. Das Ergebnis hat mich total überzeugt: Das Geld ist bestens angelegt und ich kann der Reise in die USA zumindest fototechnisch maximal gelassen entgegen sehen.