Freitag, 13. August 2010

Erste Eindrücke von Green Bay, Wisconsin

Sieht harmlos aus, ist aber sch...e schwierig. Reichlich Strom von rechts. Vor dem Anlegen mußten wir im Hafenbecken drehen und dann ziemlich stumpf anlaufen. Beim Andrehen hat der Strom dann wieder fortgerissen und fast auf die gegenüber liegenden Sportboote gedrückt.
Es stürmt und regnet leicht. Trotzdem stehen die zahlenden Besucher des Tall Ship Festivals Schlange vor unserem Schiff. "German ship with a norwegian name." Da ich noch reichlich angeschlagen von der Nacht, kommen meine Erklärungen an deck noch recht holprig. Leichte Probleme mit "translation program".
Unsere Gäste können kaum glauben, dass das Schiff tatsächlich über den Atlantik bis nach Green Bay gefahren ist. Ebenso unglaublich wir zur Kenntnis genommen, das wir alle Freiwillige sind und kein Geld für unsere Arbeit an Bord bekommen. "From Germany?" ist eine häufig gestellte Frage. Dann ein Lächeln und meist der Hinweis, das die eigene Familie ihre Wurzeln in Deutschland hat. Rund 50 Prozent der Einwohner Wisconsins blickt stolz auf deutsche Vorväter zurück.
Nachdem "Sturgeon Bay & Lake Michigan Ship Canal" laufen wir in südwestlicher Richtung nach Green Bay. Gegen 11 Uhr vertreibt die aufsteigende Sonne die letzten Nebelschwader. Leider. Wir laufen unter Maschine und irgendwie gleicht der Fahrtwind den tatsächlichen Wind ("wahrer Wind" sagt der Seemann dazu) aus und an Oberdeck ist es vollkommen Windstill und mörderisch heiß. Die ganze Crew stöhnt unter der Hitze und schwitzt und schwitzt und schwitzt ..., auch ohne jede Bewegung. Nebeneffekt ist, dass sich das Oberdeck mächtig aufheizt und die Kammern darunter langsam aber sicher Saunatemperaturen erreichen. Ich übernehme um 12 Uhr von Colin die Wache. Zum Mittagessen werden Tische und Bänke an Deck gestellt. Es gibt Salat und Pasta.
Wir fahren hinter der EUROPA her in die Ansteuerung von Green Bay. Leider haben wir hiervon keine Seekarte an Bord, es geht aber auch. Freundlicherweise ist der Weg schön mit roten (hier: an Steuerbord) und grünen (hier: an Backbord) Tonnen bezeichnet, so dass wir keine Gelegenheit haben, uns zu verfahren. Am vor Hitze flirrenden Horizont erscheint die Silhouette von Green Bay. Noch zweimal abbiegen und fahren unter einer Brücke hindurch in den Fox River ein. Dann ein zweite Brücke mit schmaler Durchfahrt. Plötzlich bricht die Roald aus und gerät ins Schlingern. Mit schnellen und entschlossenen Ruderkommandos wirke ich entgegen und wir kommen heil durch. Was ist passiert? Starke Regenfälle im Hinterland lassen den Fluß anschwellen und dabei nimmt denn auch die Strömung zu. Und mit dieser haben wir ab jetzt unsere liebe Not.
Das Anlegemanöver gerät zu einem Ritt auf einem Vulkan. Wir laufen zwar ideal an, werden aber sofort von der Strömung vom Liegeplatz weggedrückt. Mit kräftigen Ruder- und Maschinenkommandos gebe ich alles. Leider ohne Erfolg. dann unterstützen uns zwei Sheriff-Boote mit ihren kräftigen Außenbordern. Sie drücken uns zum Liegenplatz. Das notwendigen vor und zurück mache ich mit unserer Maschine. Dann, nach sehr langen 50 Minuten ist es geschaftt und wir liegen fest vertäut am "Leicht Memorial Park" in der Strömung. Ich bin völlig fertig und erhole mich erst deutlich später wieder. Das war das härteste Manöver meiner gesamten Fahrenszeit. Mit einem 16.000 PS-vier Wellen-Schnellboot hätte ich es vielleicht ohne fremde Hilfe geschafft, aber die Roald ist für solche Manöver schlichtweg nicht ausgerüstet. Selbst die EUROPA kämpft lange, bis sie angelegt hat. Und die haben neben einem Bugstrahlruder zwei kräftige Antriebsmotoren auf zwei Wellen ...
Die Hitze unter Deck ist inzwischen unerträglich geworden. Sonneneinstrahlung, Abwärme von der Maschine sowie von der Waschmaschine und dem Trockner heizen uns kräftig ein. Bald startet die Crewparty an Land und jede und jeder von duscht nochmal vorher und damit verteilt sich dann auch der heiße Wasserdampf im Schiff.
Auf der Crewparty kompensiere ich meinen Flüssigkeitsbedarf mit reichlich Bier und geniesse Burger und einen reichlichen Fruchtcocktail als Nachtisch. Poppige Musik verleiht der Stimmung Schwung und die Crews der Tall Ships feiern ausgelassen, was es zu feiern gibt, im Zweifelsfalle sich selbst. Die ASTA gibt die Regattagewinner bekannt. In unserer Klasse gewinnt die EUROPA erwartungsgemäß den ersten Platz. Dritte wird die us-amerikanische Brigg NIGARA und auf dem zweiten Platz landet die deutsche Brigg ROALD AMUNDSEN. Wir rocken das Zelt. Entgegen der üblichen Etikette nimmt die erste Steuerfrau vor dem hinter ihr stehenden Kapitän das Wappen entgegen und reckt es in die Höhe. In Bay City sind wir noch alle nach vorn gegangen ... Colin und ich gratulieren anschließend der EUROPA-Crew zum Sieg und stoßen mit einem Bier an.
Nach der Feier gehe ich an Bord, dusche kalt und falle totmüde in die Koje. Gegen vier Uhr Wache ich mit dröhnendem Schädel schweißgebadet auf. Boaaah ey, ist das heiß im Deck! Ich schaue noch eine Folge Scrubs und stöpsel mir dann ein eher langweiliges Hörbuch ins Ohr und schlafe bis zum Wecken wieder ein. Um sieben Uhr stehe ich dann wie gerädert auf und starte leicht fertig in meinen letzten Tag auf der Roald auf den Great Lakes.

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