Dienstag, 10. August 2010

Soo - da war noch was ...

Der 'Alford Park' besteht aus einer kleinen Rasenfläche, einem großen Parkplatz, einer Hufeisenwurfanlage und einem blauen Geländer. Letzteres verhindert, dass die Angler ins Wasser stürzen. Ansonsten ist alles verboten, was Spass macht. Und 1000 USD Kopfgeld für denjenigen, der Hinweise im Falle von Vandalismus gibt. Ja, so stelle ich mir den 'Wilden Westen' vor. Fehlt nur noch der Sheriff mit der Winchester im Arm und dem schweren Colt im Gürtel ... ooops, da kommt gerade ein Polizeiwagen. ich verschwinde besser ...
Motels sehen hier tatsächlich so aus, wie wir das so aus dem Fernsehen kennen. Ein kleines Office am Eingang. Dann ebenerdig Zimmer in Reihe mit einem großen Parkplatz in der Mitte. Auch das Werbeschild sieht aus, als wäre es aus einem Mickey-Maus-Heft übernommen worden.
Die Fassade dieses Gebäude scheint oberflächlich okay. Doch von der Seite offenbart sich seine ganze Häßlichkeit. Auch die Ladeneinrichtungen sind in Soo ganz anders, als wir das so kennen und gewohnt sind. Alles sehr provisorisch und einfach. Und es gibt Kitsch ohne Ende zu kaufen. In einem dieser Läden habe ich mir ein T-Shirt mit einem 'Michigan'-Aufdruck geholt. Das fehlte mir noch.
Blick auf die südlichste Schleuse, der 'MacArthur Lock'.
Sehr beeindruckende Darstellung. Sie verdeutlicht, dass der Lake Superior 183,2 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Wer hätte das gedacht? Ich nicht und ich bin reichlich beeidruckt. Übrigens beinhalten die Great Lakes ca. 25% des Weltfrischwasservorrats. Seit gestern sind wir wieder auf dem Lake Huron und fahren heute in den Lake Michigan. Dann sind's nur noch 176m Unterschied zum Meersspiegel ...
Luftaufnahme der 'Soo Locks'. Echt groß, gell?
Im Besucherzentrum der Schleusenanlage finde ich einen Hinweis auf die ursprünglich Kultur in dieser Gegend. Echt böse, diese Amerikaner, oder? Vertreiben einfach die Indianer. Allerdings leben hier weit über 90 Prozent europäische Einwanderer ...
Dieses Bild hat historischen Wert. Es zeigt die in einer Karte visualisierten AIS-Informationen, also Position, Kurs und Fahrt der in Reichweite befindlichen Schiffe. Südlich der Schleusenanlage verläuft ein Überlauf, der in einem riesigen Wasserkraftwerk mündet. Und direkt rechts neben dem Wasserkraftwerk zeigt das AIS zwei Schiffe längsseits Pier an: EUROPA (unlserlich) und ROALD AMUNDSEN (Amundsen zu lesen). Das AIS ist ein System, mittels dessen Schiffs über eine international festgelegte VHF-Frequenz Positionsdaten, Kurs und Fahrt, Ladung, Fahrtzustand ("sailing", "moored", "underway using engine", ...), Anzahl Besatzung, Nationalität, etc. austauschen. D.h., ich weiß in see immer, wer so um mich herum unterwegs ist, mit welchem Kurs und mit welcher Fahrt. Aus letzteren Daten errechnet das System den CPA - closest point of approach, den Punkt der nächsten Annäherung. CPA null bedeutet Knallkurs, d.h. akute Kollisionsgefahr. CPA 270-0,5 bedeutet, dass uns das Fahrzeug in rechtweisender Peilung 270 (also westlich) mit einem Abstand von 0,5 Seemeilen, also 5 Kabel oder knapp einem Kilometer passieren wird (1 Kabel entspricht 185,2 Meter; eine Seemeile entspricht 1852 Meter. Warum? Der Erdumfang am Äquator beträgt ziemlich genau 40.000 Kilometer. Ein Erdumfang sind 360 Grad, jeder Grad hat 60 Bogenminuten, eine Bogenminute ist eine Seemeile. Also 40.000 km / 360 / 60 = 1,852 km)
Der Weg zur Aussichtsplattform der Schleuse führt durch einen Park mit Besucherzentrum. Da sonst überalle Waffen erlaubt und getragen werden dürfen (amerikanisches Grundrecht und kürzlich erst wieder vom Obersten Gericht bestätigt), finden in den Bereichen Kontrollen statt, in denen das Tragen von Waffen untersagt ist, also beispielsweise in staatlichen Einrichtungen. So auch hier. An den Parkeingängen wachen den auch jeweils zwei bewaffnete Security-Officers und kontrollieren jede Tasche. Im Gespräch sage ich ihnen, dass das für uns in deutschland zwar typisch amerikanisch, aber auch völlig fremd ist, denn in unserem Land darf man keine Waffen tragen. ich ernte verständnislose Blicke und den Hinweis, das in Deutschland aber hervorragende Waffen gebaut würden, mit denen z.B. die amerikanische Polizei ausgestattet ist. Die Polizeiwaffen kommen von SIG Sauer aus Eckernförde. Also sichert amerikanisches Recht irgendwie Arbeitsplätze vor meiner Tür. Meine Hand mit dem moralischen Zeigefinger behalte ich tiefvergraben in der Hosentasche ...
Wie in jeder amerikanischen Stadt, so gedenken die Menschen in Soo auch ihren Gefallenen in diversen Kriegen. In Soo ist das 'Veterans-Memorial' direkt am Gerichtsgebäude sehr zentral untergebracht. Dieses Memorial erinnert an die gefallenen Amerikaner im 2. Weltkrieg, im Korea- und Vietnamkrieg und im Golfkrieg. Es fehlt ein Hinweis auf den Irak- und Afghanistankrieg bzw den 'Krieg gegen den Terror'. Ich persönlich halte Kriege grundsätzlich für ausgesprochen verzichtbar und denke, die USA sind da in letzter ein wenig 'überaktiv'. Andererseits finde ich es gut, wenn, wie hier üblich, den Gefallenen gedacht wird, die im Auftrag ihrer Regierung und ihres Parlaments ihr Leben verloren. Eine ähnliche Erinnerungskultur für im Auslandseinsatz gefallene Bundeswehrsoldaten im öffentlichen Raum fehlt mir in Deutschland. Das Weggucken und Nicht-wahr-haben-wollen entspricht zwar einer gewissen, aber höchst unguten Tradition in Deutschland. Und alles auf die Regierung und Politik zu schieben, macht die Sache nur vordergründig einfach, denn das Gemotze lenkt wunderbar von der eigenen Verantwortung ab. So einfach ist das und so schlecht. Dann lieber auch unangenehme Themen im öffentlichen Raum thematisieren, so, dass keiner hinter sagen kann, "das habe ich nicht gewußt und gewollt". Hallo? Demokratie? Informationszeitalter? Sorry - ich schweife ab.
Unfassbar, ein Auto, auf dem SHERIFF steht. Aber warum habe ich es fotografiert? Ich fand's einfach 'cool' oder 'geil' oder gemäß meinem Lieblingsadjektiv 'so awesome'.
In Soo stehen diverse Kirchen unterschiedlicher Glaubensrichtungen. Etwas unüberschaubar für mich, aber das hängt wohl eher mit meiner Unwissenheit zusammen.
Tja, hier tränen Starkstromtechnikern die Augen. Grundsätzlich werden in den USA Strom-, Telefon- und andere Leitungen nicht in der Erde verlegt, sondern verunzieren auch die Innenstädte mit Strommasten und Leitungen, die der Elektriker meines Vertrauens wohl als 'fliegend' bezeichnen würde. Hier mal eben Strom abgreifen, dürfte technisch kein Problem sein.
Die Idylle trügt, denn bei näherem Hinsehen entpuppen sich viele Häuser als ungepflegte Bruchbuden, jedenfalls, soweit man das von außen sagen kann. Die Verzierungen in den Landesfarben sagen aus, dass der Besitzer dieses Hauses einen Politiker unterstützt. Wen und zu welcher Partei dieser gehört, steht dann auf einem extra auf dem Rasen aufgestellten Schild. Werbung für die Demokraten habe ich an keiner Stelle gesehen.
Sorry für die schlechte Auflösung - ich hab das Bild mit meinem Handy gezoomt fotografiert. Es ist so eine Art Erdmännchen, dass ich hier an den Pflanzen im Vorgarten eines Hauses mit frischem Grünzeug den Bauch vollschlägt
Das ist mal ein Camper! Ein Wohnwagen als Auflieger. Rechts daneben steht die Zugmaschine, ein Monster-Pickup mit Zwillingsreifen und einer Aufnahmeeinrichtung auf der Ladefläche. Total cool, so wäre ich auch gern unterwegs. Wohl unnötig zu erwähnen, dass man diesen Wohnwagen durch seitliche Auszüge noch deutlich vergrößern kann ...
Soo hat bei mir einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen, oder, im Klartext, 'ich möcht' da nicht tot über'n Zaun hängen'. Gut, eigentlich möchte ich nirgendwo tot über'n Zaun hängen, aber eben ganz besonders in Soo nicht. Westlich der Stadt qualmen riesige Schlote industrielle Rauchgase dunkel in den Himmel. Derart unfiltertes Abgas habe ich zuletzt beim Karftwerk in Djibouti gesehen. Dort trieben schwerölbetriebene Motoren Generatoren für die Stromversorgung an. Auch dort bliesen die Schornsteine schwarzen Wolken in die Luft.
Zur kanadischen Seite Soos kann ich nichts sagen. Der amerikanische Teil besteht im Grunde aus einer gigantischen Schleusenanlage, einem kleinenPark, mehreren Andenkenläden und jeder Menge runtergekommener Häuser und baufälliger, geschlossener Motels. Das Bemühen der Kommune, etwas für den Tourismus zu tun, ist allerdings deutlich erkennbar. Dabei ist mir aufgefallen, dass bis auf ein Kanunachbau im Besucherzentrum der Schleuse nicht in der Stadt auf deren indianische Wurzeln hinweist. Ich glaube, hier haben mal die Chippewa-Indianer gelebt. Bis auf ein geschlossenes Indianer-Memorial und ein ziemlich ödes Service-Zentrum für Gesundheitsfragen und andere Themen habe ich keinerlei Spuren von der ursprünglichen Kultur dieser Gegend gefunden, Schaden, das hätte mich mehr interessiert, als alles andere. Andererseits wirkte die Bevölkerung auf mich sehr ländlich-konservativ und entsprach in manchem meinen Vorurteilen.
Vor einigen Wochen habe ich mich im Post "Duluth - was ist das?" über meine Erwartungen über die westlichste Stadt an den Großen Seen geäußert - und völlig daneben gelegen. Duluth war ein guter, abwechslungsreicher Hafen.

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