Samstag, 31. Juli 2010

Duluth, Minnesota

Vor gut zwei Monaten haben ich noch "Duluth - was ist das denn?" geschrieben. Nun bin ich also in der Stadt angekommen, von der ich vorab nur magere Informationen gefunden habe. Ein klassisches Vorurteil also, dass bei persönlicher Vor-Ort-Betrachtung einer näheren Überprüfung nicht standhält. Mir gefällt's hier. Die Stadt ist ok und der bereich Hafen, in dem wir liegen, grenzt unmittelbar an die 'Vergnügungsmeile' mit zahlreichen Lädchen, Saloons, Pubs, Restaurants, Cafés und allerlei weitere touristische Angebote. Unser Liegeplatz befindet sich unmittelbar vor einer größeren Halle, einem Auditorium. Von hier aus kommt man trockenen Fußes über den Skywalk, dazu später mehr, bis in die Innenstadt. Nachteil: Die halle bietet eine wunderbare Resonanzfläche für die dröhnenden Generatoren, die uns mit elektrischem Strom versorgen. Die Geräuschkulisse ist derart nervend, dass an Oberdeck nicht an telefonieren oder andere 'normale' Kommunikation zu denken ist. Das Schreiben dieser Zeilen dauert denn auch mehr als eine Stunde, weil Konzentration nahezu unmöglich ist. Orte und Momente der Ruhe sind und bleiben Mangelware.
Zu unserem Empfang haben sich Tausende entlang des Seeufers, am Canal Park und rund um die Aerial Lift Bridge versammelt. Kamerabewehrte Helikopter kreisten über unseren Köpfen, um die besten Bilder einzufangen. Ich hatte Bedenken, ob das Deckspersonal auf den Anlegestationen mich überhaupt akustisch verstehen kann. Die gigantische Aerial Lift Bridge, das Wahrzeichen Duluth', voraus in Sicht, bringt mich Kapitän Patrick mit der Frage "Willst Du anlegen?" leicht aus der Fassung. Was? Wie? Mein herz hüpft, der Kopf rattert. Ein Blick in die Seekarte und den Wind geprüft und schon habe ich eine Idee, wie ich die Roald sicher an die Pier bringe. Das bespreche ich mit den für die verschiedene Stationen Vorschiff, Achterdeck und Mittelleine verantwortlichen Toppsgasten und Steuerleuten und schon geht's los. Vor uns dreht HMS Bounty und läuft auf die Pier zu. Leinen fliegen über, die Maschine heult auf und die Bounty bewegt sich nicht mehr. Jetzt sind wir dran. Ich manövriere die Roald auf Anlaufkurs und schon fliegen die ersten Wurfleinen an Land. Das 'starke Frauen Team' bedient Mittelleine und Spill. Sie überwinden mit Körperkraft die letzten Meter bis zu Pier und bringen uns längsseits. Maschine aus, Ruder fest; das war's. Patrick schüttelt mir die Hand. Es ist wirklich gut gelaufen. Wenig Kommandos, keine Hektik, mit Ruhe und etwas Geduld an die Pier gefahren. Dieser Moment entschädigt mich für den ein und andere frustrierende Situation in den letzten Tagen. Nachdem alle Leinen ausgebracht und die Stellings an Land gehen, gebe ich als Dankeschön das 'Einlaufbier' aus.
Die Tall Ships erfreuen sich in Duluth allergrößter Aufmerksamkeit. Wir werden wieder sehr herzlich und offen aufgenommen. Hundert Meter Luftlinie von uns liegt der Canal Park und lädt zum Bummel, Speisen und Trinken ein. Unterhaltung wird heir reichlich geboten.
Gestern Abend war ich im BBQ Grill "Famous Dave" und habe mir einen "Ultimate BBQ Burger" mit zwei Fleischsorten und reichlich frittierten Kartoffelspalten bestellt. Dazu ein Budweiser getrunken und nebenbei Baseball im Fernsehen geschaut. Genauso stelle ich mir Amerika vor. "Famous Dave" ist kein klassisches Restaurant, sondern eher ein Fast-Food-Lokal, ohne jedoch eine Systemgastronomie, wie z.B. McDonalds oder Vapiano, zu sein. Am Eingang weist ein Schild "wait to be seated" daraufhin, wie hier in allen Restaurants üblich, sich einen Tisch vom Empfang zuweisen zu lassen. Ich sitze an einem ebenso typischen Tisch mit zwei gegenüber liegenden Bänken mit hohen Rücklehnen. Die Bedienung ist extrem freundlich und hilfreich und bringt mehr erstmal kostenloses Eiswasser. Steuerbord voraus habe ich freien Blick auf einen tonlos geschalteten Fernseher. Es läuft Baseball. Seattle spielt gegen die Twins (Minnesota). Ich verstehe nur Bahnhof, find's aber trotzdem extrem cool. Dann kommt auch schon mein Burger, der so groß ist, dass ich ihn nur mit messer und Gabel und keinesfalls von Hand essen kann. Ich weiderhole mich: Typisch Amerika; hier ist eben alles eine bis mehrere Nummern größer als bei uns in Deutschland. Der Burger schmeckt fantastisch. Zartes Fleisch, saftige Frikadelle, kanckige Speckstreifen, rauchig im Geschmack und von mir zusätzlich mit einer Extraportion 'Heinz Ketchup' verfeinert. Dazu das Budweiser. Der erste Schluck läuft durstig und kühl meine Kehle runter. Vorher passiert er jedoch die Geschmacksnerven. Halt! Stop! Hier stimmt was nicht! Sieht aus wie Bud, schmeckt aber ganz anders. Biertechnisch sind die USA ein Entwicklungsland. Das Zeug schmeckt hier einfach nicht. Und ist dafür mit 5 USD auch noch saumäßig teuer. Ganz schlimm ist "Miller Lite". Geschmacklich katastrophal und nahezu ohne Wirkung. Nach gut einer Stunde verlasse ich reichlich gesättigt "Famous Dave" und mache noch einen Spaziergang entlang zahlreicher Geschäfte im Canal Park.
Hab ich eigentlich schon berichtet, dass ich für die Schiffskasse verantwortlich bin? Aufgrund diverser Bareinnahmen schlummern dort fast 20.000 USD. Gestern war ich mit der Knete gut zwei Stunden in der Innenstadt von Dultuh unterwegs und habe eine Möglichkeit gesucht, das Geld auf unser Vereinskonto in Deutschland zu transferieren. Die erste Bank, auf die ich stoße, ist "Wells Fargo". Ich denke an Postkutschen und Western mit John Wayne und gehe hinein. Am Ende kümmern sich vier Menschen um mein Problem, finden aber keine Lösung. Es ist grundsätzlich nicht möglich, Bargeld einzuzahlen und es dann nach Deutschland zu überweisen. Dazu müßte ich ein US-Konto eröffnen, dürfte dann aber täglich nicht mehr als 10.000 USD überweisen. Man verweist mich an "Western Union", ca. zwei Blöcke weiter. Ich mache mich also auf die Suche - und finde die Bank nicht. Ich suche und suche, kreise und kreise, leider nichts zu machen. Dann stehen ich vor der örtlichen Polizeistation, gehe hinein und frage. Dort telefoniert sich dann eine Frau die Finger wund, um mein Problem zu lösen. Schließlich schickt sie mich zur "US Bank", die in Duluth auch Transaktionen für Western Union tätigt. Man drückt mir ein Formular in Hand, das ich auch geflissentlich ausfülle. - Dabei fällt mir auf, das sowohl am Schalter wie auch an sonst allen Tischen kleine Pumpflaschen mit Desinfektionsflüssigkeit stehen. Später erfahre ich, das Amerikaner generell Angst vor Ansteckung haben und sich daher bei jeder Gelegenheit die Hände desinfizieren. - Komisch, denke ich, kein Feld für die Kontonummer des Empfängers. Auf Nachfrage erklärt mir die gutaussehende, junge Angestellte, dass ich hier nur 'person-to-person-transfers' veranlassen kann. Ok, denke ich, und was kostet das? "Zwischen 600 und 700 Dollar", zwitschert die Blondine. Sie empfiehlt mir einen Western-Union-Agenten in der Nähe, der mein Problem lösen könnte. Also gehe ich dorthin. Es ist keine Bank. es ist nur ein Schalter in einem ehemaligen, runtergekommenen Büroraum. Und wieder trage ich mein Thema vor. Der Typ sagt, das wäre wohl kein Problem und ruft in der Zentrale
an, wie er das Geschäft zu tätigen habe. Ich warte derweil kamerabeobachtet und denke mir, dies ist die perfekte Situation, überfallen zu werden. Nach geschlagen 10 Minuten die niederschmetternde Auskunft "only person to person transfer, Sir". Ich gebe auf und latsche mit Knete wieder zurück an Bord. Dort soll heute die wunderbare Claudia, habe ich in Cleveland schon vorgestellt, eintreffen. Die weiß bestimmt, wie's geht. So ist es dann auch. Montag fahre ich mit jemandem zur Post, zahle das Geld bar, bekomme einen Scheck dafür, den wir dann auf das Roald-Treuhandkonto bei der ASTA (American Sailtraining Association) einzahlen. Von dort wird das Geld dann auf das Vereinskonto in Hamburg überweisen. Alles klar? Mir nicht.
So, genug Text für heute.
Bild 1: Das Foto des Tages. Die Twins Alina und Fabienne lassen sich die Haare blond tönen. In Deutschland erlaubt's die Mama nicht, aber Großvater Friedo geht die Sache gelassener an. Ich lass mir auch die 'Haare' schneiden und die Augenbrauen kürzen. Macht inklusive Trinkgeld 25 Dollar. Nicht schlecht, aber der Spaß war's wert.
Bild 2: Einlaufparade - voraus HMS BOUNTY vor der (noch) geschlossenen Aerial Lift Bridge.
Bild 3: So wird die Veranstaltung schon seit Monaten beworben. Nach unserer Reiseplanung laufen wir Montag aus. Auf dem Plakat steht Dienstag. Mal sehen.
Bild 4: Vor Jahrzehnten war Duluth noch eine Industriemetropole und einer der größten Häfen der USA. Dieses Gebäude wurde dann zu einem Bürogebäude und dreigeschossiger Shopping Mall mit zahlreichen kleinen Lädchen und freiem WLAN umgebaut.
Bild 5: Abendstimmung an der Ansteuerung zur Aerial Lift Bridge.
Bild 6: Und da liegen wir. Vorn HMS BOUNTY, dann ROALD AMUNDSEN, NIAGARA und EUROPA.

Bild 7: Zwei Freunde haben Spass beim Frisör.

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