Der Belegplan ist ein merkwürdig Ding. An Bord der ROALD sind ungefähr 200 verschiedene Tampen, mit denen das Rigg bedient wird, 'verlegt' und belegt. Schoten sind im Garten: Die Schoten der Rahsegel befinden sich im Mastgarten. Die grosstoppbrassen sind im Vortoppmastgarten und die Vortoppbrassen mittschiffs außen belegt. Geitaue und Gordinge finden sich unterhalb der Wanten außen belegt. Und die Schoten des Grossroyalstengestagsegels ... mmh ... lass mich überlegen. Der Niederholer des als Flieger gesetzten Jagers? Die Gieren des Griggsegels? Die Toppnanten und Fallen? Fragen über Fragen. All dies muss auch nachts vom Deckspersonal, also der Segelwache beherrscht werden. Über allem schwebt latent die Frage, wo backbord und wo steuerbord ist, besonders, wenn ich mich umdrehe und nicht nach vorn, sondern nach achtern schaue. Auch ich bin schon mal zur falschen Seite gelaufen. "Das andere Backbord!" lautete die freundliche Hilfestellung meines Toppsis. Ein komplexes Manöver ist z.B. das Brassen der des Vor- und Grosstopps, also das Verstellen der Rahen bezogen auf die Mittschiffslinie. So brasst man ein Strich an backbord oder zwei Strich an steuerbord oder hart wo auch immer, aber immer frei von den Padunen, an. Und jetzt ganz langsam: Sollen beide Toppen zwei Strich an backbord angebrasst werden, so muss grundsätzlich an den Steuerbordbrassen, die übrigens intelligenterweise an den Rahenden befestigt sind, gezogen und an den Backbordbrassen gefiert werden. Da unser Schiff aber nach achtern nicht unbegrenzt Platz hat, gehen die Grosstoppbrassen nach vorn und werden im Vortoppmastgarten bedient, wohingegen die Vortoppbrassen nach achtern verlaufen und von den Nagelbänken unterhalb der Grosstoppwanten verlaufen. Diese Anordnung verlangt nach spiegelverkehrtem Denken, wenn's um den grosstopp geht. Also, ich komme zurück zur Aufgabenstellung: beide Toppen zwei Strich an backbord anbrassen. Dazu muss also an den Backbordbrassen des Grosstopps im Mastgarten des Vortopps sowie an den Steuerbordbrassen des Vortopps unterhalb der Wanten des Grosstopps gezogen und gleichzeitig die Steuerbordbrassen des Großtopps sowie die Backbordbrassen des Grosstopps gefiert werden. Alles klar, oder? Sag ich doch. Diese einfache verdeutlicht, was der Seemann auf einem Traditionssegler unter Belegplan versteht.
Bild 1: Toppsi Andreas hat mit Straßenmalkreide auf dem Oberdeck verdeutlicht, wie welche Tampen an den Rahsegeln verlaufen. Da die Sache etwas komplexer ist, hat er für jeden Art eines Seils (Schot, Gording, Geitau, Brass, etc.) eine andere Farbe gewählt. Pädagogisch und methodisch geschickt. Und jetzt sind die farben ... äh die Tampen nur noch den Belegnägeln zuzuordnen. Ohne Farbkennung übrigens. Und so lernt man dann u.a., das Schoten im Garten stehen.
Bild 2: Toppsi Andreas ist mal wieder zum Niederknien. Findet übrigens auch die Köchin von HMS BOUNTY.
Bild 3: Andreas und Dagmar haben Geitau und Gording ... na, von welchem Segel? ... in der Hand. Gordinge sind eher dünne Seile, Geitau, da mehr Gewicht dranhängt, schon etwas dicker. Ganz dick übrigens die Fallen. Und xxl-dick die Festmacherleinen. Nun wärte auch das geklärt.
Bild 4: Und das, liebe Leserin und lieber Leser, ist sie, die Steuerbordbelegbank unterhalb der Want des Grosstopps. Da befinden sich auch die berüchtigten Steuerbordbrassen des Vortopps.
Sollte dem geneigten Leser mein Text zum Thema Belegplan etwas wirr, viellicht unverständlich oder einfach nur dämlich vorkommen, so bitte ich um Pardon, denn ich schreibe ihn auf schwankenden Planken nachts um 01:00 Uhr auf Wache. Ein Starkwindgebiet hat Swell hinterlassen, der uns nun kräftig aufschaukelt. Wir sind derweil in kanadischen Gewässern des Lake Superior unterwegs. Am Nachmittag haben wir Caribou Island passiert. Vor uns liegt auf dem festland der Leuchtturm Otter I. Die dazugehörige Landspitze heißt sinnigerweise Otter Head. Irgendwo da draußen muss Winnetou leben und mich begrabt bitte an der Biegung des großen Flußes ... ich habe den Eindruck, die Nachtwachen fressen sich langsam in mein Gehirn.
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