Vor wenigen Monaten habe ich mich, wie auch hier nachzulesen ist, im Internet mit Bay City beschäftigt. Mir kamen zuerst die Bay City Rollers in den Sinn. Dann fand ich, dass Madonna aus Bay City stammt. Ihre Großmutter lebt heute noch hier. Ansonsten wird nicht über Madonna gesprochen, denn sie hat sich sehr abfällig über Bay City geäußert. Und das nehmen die Menschen hier persönlich. Besser ausgedrückt: Sprichst du in Bay City jemanden auf Madonna ein, spürst du sofort, dass du mit beiden Beinen im Fettnäpfchen stehst. Bay City unterhält eine Patenschaft zu Ansbach in Bayern. Es leben fast 40.000 Menschen in dieser Stadt. So weit, so banal. Findest du alles bei Wikipedia oder bei Google.
Schon der seeseitige Empfang mit tausenden Menschen in Booten, Ausflugsschiffen und entlang des Saginaws gab mir einen ersten Eindruck, was in Bay City und im Bay County im Mittelpunkt steht: Nämlich die Freude über Gäste aus Nah und Fern. Ein herzliches Willkommen den Seeleuten. Die große Vorfreude auf ein gemeinsames Wochenende mit den Typen, die die Traditionssegler an Land spülen. Ein herzliches Willkommen uns und mir.
An unserem Liegeplatz erwarten uns Elke und Ken, Paddy, Karen und Lee, unsere Liaison-Officers. Leuchtende Augen, echte Freude, wärmende Herzlichkeit; besser kann ein Empfang nicht sein. Wichtiges und Wesentliches ist schnell besprochen und organisiert. Alle geben sich größte Mühe. Dann kommt der Zoll an Bord, die Gesundheitsbehörde, die US Coast Guard, das Fire Department und weitere Authorities. Die notwendige Adminstration ist schnell und unkompliziert erledigt. Man sieht sich als Dienstleister.
Wenige Stunden nach Anlegen mache ich mit Alina und Fabienne einen ersten Rundgang in Bay City. Alles ist sehr amerikanisch. Strom- und Telekommunikationsleitungen winden sich an Masten durch die Stadt. Die Autos sind größer als bei uns. Manch einer kommt mit einem Pick-up in Big-Block-Ausführung (5,7 Liter 8 Zylinder) in die Stadt. Ampeln hängen mittig über der Kreuzung und schaukeln im Wind. Der Sheriff patroulliert. Mit anderen Worten, hier werden zahlreiche Klischees, die ich über den mittleren Westen im Kopf habe, bedient. Es ist fremd, aber auch vertraut.
Am nächsten Tag schlendere ich wieder durch die Stadt und vernehme hinter mir die Stimmen dreier 'old Ladies'. Mein erster Gedanke: Mein passives Englisch ist echt gut; ich verstehe jedes Wort. Mein zweiter Gedanke: Äh, die reden ja Deutsch miteinander! Im Bay County und umzu leben, wie schon hier angemerkt, zahlreiche Menschen, die einen familiären Bezug zu Deutschland haben. Das Schärfste dann heute Abend, kurz nach Ende des open ships. Ich sitze irgendwo im Schiff und beschäftige mich mit der Schiffskasse oder was auch immer. Daniel fragt mich, ob ich mal an Oberdeck kommen könnte, da wäre ein älterer Herr, der Verwandte in Eckernförde hat. Gut, dachte ich mir, dann gehe ich da mal hin. Der nette Mann hat Familie in Osterby bei Eckernförde und war letzten September dort. Ich hab ihm meine Karte gegeben; vielleicht sehen wir uns ja mal in Ecktown. Oh Mann, die Welt ist manchmal ein Dorf. Nach allen Erlebnissen und Begegnungen in Bay City sind mir die Menschen und auch die Stadt merkwürdig vertraut. Ein erstaunliches Gefühl.
Was ist so faszinierend an Bay City, Michigan? Nach kurzem Überlegen wird mir klar, dass es vor allem die Art ist, wie man uns hier willkommen heißt. Garnicht so leicht, dies in Worte zu kleiden. Gastfreundschaft? Ja, of course, aber das trifft es nicht. Es ist die Mischung aus Humor, Lockerheit, Höflichkeit, Freundlichkeit die dir das Gefühl gibt, in bester Gesellschaft zu sein. Es ist diese optimistisch-positive Grundeinstellung, bodenständig und menschlich, die dich nie in Verlegenheit bringt; die dich achtet und respektiert. Dieses trifft einen Nerv in mir. Es ist diese Leichtigkeit und Flexibilität, die gegenseitige Aufmerksamkeit, die mich zutiefst berührt. Es ist wie unsichtbares Band zwischen uns. Egal, mit wem ich unterhalten habe, Elke und Ken, Karen und Lee, Paddy, der Mann auf der Straße, die Frau im Post Office, Tim von der Security, der Frau im Printing Shop, der Schulklasse beim open ship, Holly von den Sea Cadets, Spencer, unserem Trainee aus Cleveland und den vielen anderen Menschen, denen ich hier meist beiläufig begegnet bin. Und so erlebe ich an diesem Punkt die Grenzen meiner Ausdrucksmöglichkeit. Ich danke allen, die geholfen haben, dieses Wochenende zu einem unvergesslichen Erlebnis zu machen. Thanks a lot, it was a great pleasure.
Bild 1: Sea Cadet Holly von den Naval Sea Cadets, die uns beim open ship unterstützt haben. Holly hatte Dienst in prallen an unserer Stelling und dafür Sorge getragen, dass alle Besucher sicher an Bord kommen und freundlich wahrgenommen werden. Am Kiosk hat Holly unzählige Hände mit unserem Schiffsstempel versehen und zahllose 'tall ships passports' gestempelt.
Bild 2: Tim von der Security, der mit seinem elekrtisch angetriebenen Golfkarren für unsere Sicherheit gesorgt hat. Wir haben uns mehrfach unterhalten und viel gelacht. Danke für deinen Humor, Tim! Take care.
Bild 3: Elke und Ken. Elke ist unser 'Chief Liaison Officer'. She's from Germany, aus der Nähe von Stuttgart, wie man schnell hört. Sie und Ken leisten Unglaubliches für die Crew der ROALD AMUNDSEN. Und dabei haben sie immer ein Lächeln, Zeit für ein Gespräch und ein gutes Gespür für unsere Bedürfnisse. Nicht mit auf dem Bild ist Christina, die sehr charmante Tochter der beiden. Auch spricht deutsch mit schwäbischem Akzent und hat uns toll unterstützt. Danke, ihr seid ein tolles Team!
Bild 4: Karen und Lee. Ich habe selten so freundliche und humorvolle Mesnvshen kennengelernt. Immer hilfsbereit (nochmal tausend Dank für die Kopien, Lee), immer präsent, immer im Blick, wo es gerade fehlt. Dank auch euch für Humor und Hilfe.
Bild 5: Auch Paddy hat uns kräftig unterstützt; vieles im Hintergrund geregelt, organisiert und kräftig am Kiosk mitgearbeitet. Ohne dich hätte wir das Arbeitspensum nicht geschafft. Danke für jedes Lächeln und jeden Handgriff.
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