Freitag, 9. Juli 2010

Passagier 11A

Ein Blick aus dem Fenster sagt mir, wir sind noch nicht über Holland, jedenfalls kann ich von hier oben nichts 'orangiges' erkennen. Noch schweben wir also über Deutschland auf einer Luftverkehrsstrasse Richtung West. Später schwenkt das Flugzeug, eine B757-200, sicherlich auf einen Großkreis in Richtung Newark / New Jersey ein. Sollte der Pilot unbekannte blinkende Lichter außerhalb des Flugzeugs entdecken oder anderweitig navigatorische Fragen haben, nun, ich helfe gern ...
 
Das Einchecken in Fuhlsbüttel verlief unkomplizierter als erwartet, aber auch unangenehmer, als gedacht. Gleich am sogenannten 'Kiosk' erwartete mich ein freundlicher Mitarbeiter von Continental und stellte mir sicherlich sinnvolle, aber im ersten Moment doch leicht irritierende Fragen. "Wann haben Sie Ihr Gepäck gepackt? Hat Ihnen jemand dabei geholfen? Wohin fliegen Sie und warum? Fünfeinhalb Wochen sind lang für einen Urlaub. Wo verbringen Sie die erste Nacht? Haben Sie ein Feuerzeug im Gepäck? ..." Ich kam kaum mit den Antworten nach und fühlte mich irgendwie ertappt, obwohl ja eigentlich nichts war bzw ist. Da ich mich Mittwoch noch via Internet eingecheckt hatte, durfte ich nach der 'peinlichen Befragung' zum "Elite"-Schalter. Und dann weiter zur Sicherheitskontrolle.
 
Anke vom Schiffsbüro sagte mir am Vortag noch, dass ich möglicherweise Friedo mit zwei Enkelinnen am Flughafen treffen würde. Und siehe da, direkt vor mir drei Menschen mit ROALD AMUNDSEN-Pullovern. Friedo fährt als Toppsi, also Toppsgast. Seine Enkelinnen als Deckshandsanwärterinnen. Nun sitzen wir im gleichen Flieger nach Newark und steigen nachher gemeinsam um nach Cleveland. Das wird interessant, da wir vor dem Umsteigen durch den Zoll und die Einwanderung müssen. Friedo hat ROALD Stofftaschen ("Die gehen in USA wie verrückt", sagt Anke) dabei und die gelten als Handelsware sind also theoretisch irgendwie anmeldungspflichtig oder so. Und ich Depp hab heute morgen noch schnell und ziemlich gedankenlos eine Tüte HARIBO Gummibärchen in meine Reisetasche geworfen und dann bei der Zollerklärung bei der Frage, ob ich Lebensmittel einführe, locker ein Nein angekreuzt. Nun, die vom Zoll wollen ja auch was zu tun haben ...
 
Die Sicherheitskontrollen für USA-Flüge sind doch etwas intensiver als für einen Flug im Touri-Bomber nach Malle. Ich mußte in einen extra Raum und wurde extra gefilzt. Gutes Gefühl, das die Leute am Flughafen aufmerksam und sorgfältig arbeiten. Netbook, Kamera, USB-Stick, diverse Verbindungs- und Ladekabel wurden auf versteckten Sprengstoff durchsucht. Glücklicherweise hatte ich heute mal kein c4 dabei. Dann durfte ich wieder einpacken und wurde mit dem gut Rat "Lassen Sie Ihr Handgepäck nicht unbaufsichtigt!" freundlich entlassen. Also weiter zum Gate A19.
 
15 Zentimeter links von mir sind jetzt minus 48 Grad Celsius. Gut zehn Kilomter unter mir liegt Wales. Sagt jedenfalls der Bordcomputer. Ich teile mir eine Dreier-Reihe mit mit einer höchst charmanten Passagierin. Sie heißt Emma, hat blonde Haare, ist eher schüchtern (hab sie aber gerade mit HARIBO Colorado zu einem Lächeln verleitet) und vielleicht 9 oder 10 Jahre alt. Wir haben beide Stöpsel im Ohr. Sie schaut sich einen Zeichentrickfilm an und ich bediene mich gerade akustisch am Entertainment Computer und höre Musik. Echt coole Auswahl z.B. unter der Rubrik "Rock": Jetzt läuft "Dark side of the moon" von Pink Floyd und nachher höre ich vielleicht noch "A night at the opera" von ... na, von wem schon ... von Queen. Hinter mir sitzt eine junge Mutter (könnte eigentlich auch die Nanny sein) mit zwei jungen Jungs. Beide noch im Kindergartenalter und reichlich rebellisch. Spitz erschallt "Stop it" hinter mir und einer der zwei Nasen ist tatsächlich mal ruhig; jedenfalls für die nächsten Sekunden. Vielleicht unterstütze ich die Nanny (hab mich jetzt festgelegt) später mal bei der Bändigung der Energiebündel und bringe denen ein paar deutsche Erziehungskommandos bei. Die Höflichkeit gebietet es, hier nicht näher darauf einzugehen ...
 
Friedo hat für die Einreisegenehmigung den Liegeplatz des Schiffes (Dock 30, 1st position) und damit keine reguläre Anschrift angegeben. Man braucht aber eine Adresse. So eine echte, richtige Adresse. Nun wird er in regelmäßigen Abständen aufgerufen, um die Sitruation zu klären. Ich gebe ihm die Anschrift der Port Authority des Port of Cleveland. Die hab ich auch genommen und jedenfalls mit diesem Thema (noch) keine Probleme. Okay, sie haben ja auch meine Goldbären noch nicht entdeckt ...
 
Das Mittagessen kommt. Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass es jetzt in Hamburg 10:30 ist, damit steht die Uhr in Newark auf 04:30 a.m. Mittagessen? Frühstück hätte auch gereicht: Mal sehen, was es gegen mittag gibt. Übrigens war echtes Besteck dabei. Messer, Gabel und Teelöffel. Mir gehen so Fragen durch den Kopf, ob man damit nicht mal checken könnte, wie aufmerksam der Sky-Marshall ist, entscheide mich dann aber doch, freidlich auf meinem Platz zu bleiben. Aus dem Kopfhörer erklingt gerade "Death on two legs". Gut Entscheidung von mir.
 
Vor mir sitzt eine leicht zu Hysterie und Kraftausdrücken neigende ungefragt mitteilsame Deutsche. Schon am Gate fiel sie mir durch leicht pöbelige Äußerungen auf. Gerade hat sie ihre Sitzlehne mit Wucht in die maximale Position nach hinten geknallt. Und noch mehrfach nachgeruckelt, ob das denn wirklich schon die Endstellung ist. Damit ist mein Raum auf die Größe eines Käfigs für Zwergpapgeien geschrumpft. Glück ist jedoch, dass ich meine Lesebrille dabei habe, denn mit der kann ich, durch den Mikrobereich blickend, weiterhin die Informationen auf dem Display vor mir entziffern.
 
"You're my best friend" ... to whom it may concern.
 

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