Samstag, 10. Juli 2010

"Nice to meet you ... Dankeschön"

"Nice to meet you" und "How are you?" sind die am häufigsten gehörten Redewendungen in meinen ersten 48 Stunden an Bord der ROALD AMUNDSEN in Cleveland. Es ist anders, als ich erwartet habe und es ist überwältigend. Kaum eine Stunde an Bord, ich war von der Reise und der Hitze (knapp 40 Grad Celsius) völlig erschöpft, teilte mir Kapitän Uli mit, ich solle die Bordkasse mit diversen vierstelligen Beständen in Euro, Canadian-Dollars und US-Dollars übernehmen. Nun bin ich Mr Money an Bord, niemand beneidet mich um den Job und alle sind freundlich, jedenfalls wenn sie Geld wollen. "How are you?" Ehrlich? Ich bin platt. Wenig Schlaf, denn es ist sehr heiß unter Deck, und tagsüber einen full-time-job an Bord. Urlaub? Hatte ich vorher im Büro.
 
Unsere Personaldecke ist dünn ... sehr dünn. Mit Trainees sind zurzeit gerade mal 20 Personen an Bord, die sich die gesamte Arbeit, wie open ship, teilen müssen. So muss jeder von uns grundsätzlich alles mitmachen und ist quasi rund um die Uhr für Aufgaben eingeteilt. Gestern hatte dann die Kapitänin des US-Toppsegelschoners UNICORN ein Einsehen und lieh uns ihren Smutje für einen Tag aus. Und so lernte ich Nissa kennen. Sie fährt als Steuerfrau auf der UNICORN und bekocht 'nebenbei' deren ausschließlich aus jungen Frauen bestehenden Besatzung. Nissa übernahm sofort das Kommando über unsere Kombüse und bereitete Schweinebraten für das Mittagessen vor.
 
Mittlerweile spreche ich wieder halbwegs Englisch. Für smalltalk reicht es allemal und größere, sicherheitspolitische Vorträge wollte ich hier eigentlich nicht halten. Die Freundlichkeit und Höflichkeit der Amerikaner ist großartig. Ich finde sehr sympathisch, dass man hier grundsätzlich mit einer sehr positiven Grundeinstellung miteinander umgeht. In der Great-Lakes-Region leben zahlreiche deutschstämmige Bürger. Und so höre ich beim Abschied am Kiosk, an welchem wir während des open ship pins and t-shirts verkaufen, hin und wieder ein freundliches "dankeschön" verbunden mit dem stolzen Hinweis, deutsche Ahnen zu haben.
 
Nissa ist 25 Jahre jung und fährt dieses Jahr von März bis Oktober als Steuerfrau auf der UNICORN. Vor sieben Jahren, also mit 18, segelte sie ihren ersten Törn auf der ROALD AMUNDSEN. Damals sprach sie noch kein Wort deutsch. Heute spricht sie unsere Sprache fließend mit leicht amerikanischem Akzent. Auf die Frage, wie sie das geschafft habe, sagt sie nur "ich hab einfach so deutsch gelernt". Später studierte sie Volkswirtschaftslehre in Freiburg, Tübingen und Hamburg und anschließend deutsche Literatur in den USA. Zwischendurch arbeitete sie als Köchin (ebenfalls learning by doing) in einem schweizer Hotel. Sehr amerikanisch irgendwie. Berufsziel? Steuerfrau und Kapitänin auf einer Fähre.
 
Freitagnachmittag stand ich mit Tobias aus Dresden von 13 bis 15 p.m. auf der Pier an unserem Kiosk und wir verkauften allerlei Erinnerungsstücke von der Roald. Dabei ergaben sich comedymäßige Situationen. Tobias versuchte, einer Familie irgendetwas zu erklären. Das funktionierte aber nicht und er bat mich um Unterstützung. Man muss wissen, dass Tobias erstens sehr schnell spricht und zweitens über einen ausgeprägten sächsischen Akzent verfügt. Mit anderen Worten, ich verstand ihn auch nicht. Vor uns also die staunende Familie und wir im aussichtslosen deutschen Dialog und der Frage, worum geht's eigentlich. Keine Chance. Ich konnte ihn beim besten Willen nicht verstehen. Also fragte ich die Amerikaner und schnell wurde klar, dass es um die Überführung der ROALD von Europa zu den Great Lakes ging. Das konnte ich schnell erklären und trug mit dem Hinweis, dass ich Tobias auch nicht verstehe, selbst dann nicht, wenn er deutsch spricht, zur allgemeinen Erheiterung bei.
 
Wenn wir Montag Richtung Detroit und Bay City / Michigan ablegen werden wohl alle Nissa vermissen. Denn uns fehlt der Smutje. Also müssen die eingeteilten Bachschafter ran, um aus dem vorhandenen Material leckere Speisen zuzubereiten. Ich muss jetzt an einen guten Freund in Eckernförde denken. Helmut ist Seemann und Koch. Den Mann bräuchten hier jetzt! Obwohl, vielleicht haben wir Glück und Nissa unterstützt uns auch mal in Bay City und in Duluth.
 
Die beigefügten Bilder geben einen ersten unsortierten und unmittelbaren Eindruck vom Liegeplatz der ROALD im Port of Cleveland. Bemerkenswert finde ich den Imbißstand, an dem man "Bratwurst" bekommt. Sprache ist übrigens wunderbar zur heiteren Völkerverständigung geeignet. Zum Beispiel finden es Amerikaner sehr lustig, wenn ich ihnen erläutere, wie wir in Deutschland die "cell phones" nennen. Nämlich "Handy". Und wenn ich dann noch sage, dass es viele Leute bei uns gibt, die englische Begriffe cool finden und sie deshalb gern einfließen lassen, auch wenn sie nur Englisch klingen, kennt der Humor keine Grenzen mehr. Eine ähnlich Sprachfalle ergibt sich, wenn wir über unsere Törns auf den Seen erzählen, um vielleicht noch Trainees anzuheuern. "Our next Törn is from Cleveland to Bay City Michigan." (german-english). Blöd, das Törn zwar einen leicht englischen sound hat, aber in amerikanischen Ohren "turn", also abbiegen ankommt. Nun macht der Satz keinen Sinn mehr. Vielleicht ist das ja auch der Grund, warum sich so wenige Amerikaner bei uns einbuchen, denn wer möchte sich für viel Geld 'wenden', ' drehen' oder 'abbiegen' lassen. ich bevorzuge an dieser Stelle das Wort "trip" und hoffe, damit nicht in den Ruf eines Drogensüchtigen zu kommen. Eine Bescheidwisserin gab mir den Tip, es mal mit "voyage" zu versuchen. Mmmmh, da konnte ich einfach nicht drauf kommen, da mir Begriffe wie 'voyager' und voyager47', wie Eingeweihte wissen, völlig unbekannt sind.

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