Sonntag, 25. Juli 2010

Unfall mit Folgen, Teil 1

Mit steckt noch die kalte und lange nachtschicht von heute morgen in den Knochen. Gerade hat die Wache zwei das Kommando über Brücke und Deck übernommen. Das bisher eher graukalte Wetter hellt spürbar auf, die Sonne scheint, der Himmel ist blau und es wird wieder wärmer. Ich hole mir mein neues John-Irving-Buch (Letzte nacht am Twisted River), stöpsel entspannende, ruhige Musik ins Ohr und lege mich auf die Steuerbordbank am vorderen Niedergang. Neben mir auf dem Deck liegt Friedo. Nach kurzer Zeit fallen mir die Augen zu, ich lege das Buch weg, wechsel von Entspannungsmusik auf Van Morrison, nicht weniger entschleunigend, und düsel wieder weg. Dann getrappel an Deck, kurze Kommandos, aufentern, Segel bergen. Ich blinzeln leicht benommen und unfähig, mich zu bewegen, in die Sonne. Ich weiß es nicht. Also muss ich mich aufraffen und fragen gehen.
 
Laurens hat backschaft, d.h. er verbringt seinen tag mehr oder weniger in der Kombüse und bereitet Mahlzeiten vor, wäscht ab und kümmert sich um das leibliche Wohl der Mannschaft. Das Laurens in der Kombüse werkelt, höre ich auf Wache sofort. Der gesamte achtere wird mit seiner Lieblingsmusik beschallt. Jetzt ist es still. Dafür diskutieren Lotse und Kapitän, funken und überlegen, was jetzt am besten zu tun ist. Laurens hat sich in den Finger geschnitten und sich diesen damit leicht gekürzt. Die Wunde schmerzt. Laurens hat einen Schreck bekommen. Inzwischen sitzt der Druckverband fest und die Blutung läßt nach. Die Maschine läuft an und wir nehmen mit acht Knoten Fahrt Richtung Küste, Richtung Copper Harbor auf der Halbinsel Keewenaw Peninsula. Lotse Steve informiert die US Coast Guard und bittet um Hilfe. Laurens soll ins Krankenhaus, mindestens aber einem Arzt vorgestellt werden. Hoch die Fahrt und hart das Ruder! ich unterstütze, wo ich kann. Ich bringe Laurens Abendessen und rede mit ihm, versuche, seine Stimmung aufzuhellen. Er wirkt durchaus fröhlich. Paracetamol-Tabletten unterdrücken seine Schmerzen.
 
Gegen 19:00 Uhr gehe ich in die Koje, da um spätestens 23:30 Uhr der erste Teil meiner Nacht vorbei ist und ich und die anderen wieder 'raus müssen. Schlaf ist besonders in Krisenzeiten ein kostbares Gut.
 
Leichte Unruhe weckt mich noch vor 23:00 Uhr. Ich stehe auf und gehe in die Navi. Mein Gefühl hat mich mal wieder auf die richtige Fährte gelockt: wir fahren nicht nach Copper Harbor, denn dort ist kein Krankenhaus. Also weiter nach Hankock. Um Mitternacht übernehme ich mit meinem Team die Verantwortung. Kurs West-Süd-West. Laurens schläft friedlich - ein Glück. Der Luftdruck steigt, die Nacht ist klar. An Backbord fließen einzelne Lichter einer hügeligen Küste dahin. Friedo meldet ein Fahrzeug an Steuerbord. Dann ein Anruf der US Coast Guard auf Kanal 16. Wir sollen auf 12 antworten. Klappt aber nicht. Offensichtlich ist die Funkfrequenz UHF-Kanal 12 nicht international abgestimmt und damit weltweit synchronisiert. Am Ende spricht Kapitän Patrick via cell phone mit der Coast Guard.

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